Viele Unternehmen verlassen sich auf Statusbescheide der Deutschen Rentenversicherung (DRV), insbesondere zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Gesellschafter-Geschäftsführern. Ein solcher Bescheid bietet zunächst Rechtssicherheit: Er klärt verbindlich, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder als abhängig beschäftigt gilt (§ 7a SGB IV). Doch diese Sicherheit endet nicht automatisch und bedingungslos.

 

Was regelt § 7a SGB IV – das Statusfeststellungsverfahren?

  • Ziel: Klarheit darüber, ob eine Tätigkeit sozialversicherungspflichtig (abhängige Beschäftigung) oder versicherungsfrei (selbstständig) ist.
  • Antragsteller ist meist der Betroffene oder das Unternehmen. Die DRV prüft die Umstände und erlässt einen Statusbescheid. Dieser bindet die Einzugsstellen, das Unternehmen und den Betroffenen.
  • Rechtlicher Charakter: Der Bescheid ist ein verwaltungsrechtlicher Akt mit Dauerwirkung. Er besteht über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinaus, solange keine wesentliche Änderung eintritt. Das hat das Bundessozialgericht in der Entscheidung B 12 KR 1/20 R vom 29. März 2022 klargestellt.

 

Bindungswirkung endet bei wesentlichen Änderungen

Der Bescheid bezieht sich auf den Status zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Entscheidend: Wenn sich diese Verhältnisse später wesentlich ändern, kann die Bindungswirkung entfallen. Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Kapital- oder Anteilsveränderungen, insbesondere Verlust oder Veränderung einer Sperrminorität.
  • Änderungen im Gesellschaftsvertrag bei Stimmrechten oder Zuständigkeiten.
  • Tatsächliche Änderungen der Tätigkeit: Etwa wenn ein zuvor unabhängiger Geschäftsführer durch interne Strukturen weisungsgebunden wird und in die Organisation eingegliedert ist.

In B 12 KR 1/20 R hieß es: Der Bescheid vom 2. November 2010 wurde aufgehoben mit Wirkung ab dem 8. Dezember 2012, nachdem eine Kapitalerhöhung die Sperrminorität beseitigt hatte.

 

Mitteilungspflicht bei wesentlichen Änderungen

Viele glauben, § 7a SGB IV enthalte eine ausdrückliche Pflicht, Änderungen nachträglich mitzuteilen. Tatsächlich enthält § 7a selbst keine allgemeine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen nach Erlass des Statusbescheids. Jedoch:

  • Das BSG bestätigt in B 12 KR 1/20 R die analoge Anwendung von § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I in Verbindung mit § 28a Abs. 1 SGB IV. Diese Bestimmungen verpflichten zur Information der Einzugsstellen bei Anlässen, die Änderungen bezüglich der Beitragspflicht darstellen.
  • Das bedeutet: Wenn Unternehmen wissen oder wissen müssten, dass sich Verhältnisse verändert haben – die den Status beeinflussen könnten – müssen sie dies unverzüglich und unaufgefordert melden.

 

Konsequenzen bei Verletzung der Mitteilungspflicht

Bleibt die Mitteilung aus, kann das erhebliche Folgen haben:

  • Die DRV kann den Bescheid rückwirkend aufheben, ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. Das geschah im erwähnten Fall ab 8. Dezember 2012.
  • Unternehmen können zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden, oft für mehrere Jahre (in der Praxis bis maximal vier Jahre in der Regel, bei Vorsatz auch länger).
  • Säumniszuschläge oder Zinsen entstehen auf die Beitragsschuld.
  • Möglicherweise Haftung der Geschäftsleitung oder strafrechtliche Konsequenzen, etwa hinsichtlich Vorenthaltens oder Veruntreuens von Arbeitsentgelt.

Rechtsprechung und Fachliteratur

  • Die Entscheidung BSG B 12 KR 1/20 R (29.3.2022, BSGE 134, 73; NZS 2023, 738; NZG 2023, 1429) ist wegweisend.
  • Fachaufsätze (z. B. in NZS, SozR, Sozialrecht aktuell) betonen, dass Unternehmen die Verbindlichkeit eines Statusbescheids zwar begrüßen, aber das Risiko wesentlicher Änderungen nicht übersehen dürfen.

 

Empfehlungen für die Praxis

  • Status-Monitoring: Regelmäßige Prüfung, ob sich Gesellschaftsverträge, Beteiligungsverhältnisse oder die tatsächliche Tätigkeit geändert haben.
  • Dokumentation: Änderungen im Handelsregister, die Beteiligungsverhältnisse belegen; Protokolle zu Versammlungsrechten, Satzungsänderungen etc.
  • Frühzeitige Beratung: Steuerberater oder Fachanwalt einschalten, sobald Änderungen absehbar sind.
  • Prognoseentscheidung erwägen: In manchen Fällen kann eine Prognoseentscheidung nach aktueller Regelung (§ 7a Abs. 4a SGB IV) hilfreich sein, um Risiken abzuschätzen. Fachzeitschriften betonen den Nutzen solcher Entscheidungen.

 

Fazit

Ein Statusbescheid nach § 7a SGB IV bietet Rechtssicherheit, aber keine Unverletzlichkeit. Wesentliche Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse können dessen Bindungswirkung aufheben. Die Pflicht, solche Änderungen mitzuteilen, ergibt sich zumindest analog aus §§ 60 SGB I und 28a SGB IV.

Unternehmen sollten daher nicht darauf vertrauen, einmalige Statusentscheidungen wären für immer unveränderlich. Ein verbindlicher Status heute kann morgen bei Veränderung schon revidiert sein – mit finanziellen und rechtlichen Folgen.