Hintergrund: Anscheinsbeweis bei Firmenwagen
Bei Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an einen Gesellschafter-Geschäftsführer oder Arbeitnehmer unterstellt die Finanzverwaltung regelmäßig eine private Nutzung – selbst dann, wenn keine konkreten Beweise dafür vorliegen. Grundlage dafür ist der sogenannte Anscheinsbeweis: Die bloße Möglichkeit der privaten Nutzung reicht bisher häufig aus, um die 1%-Regelung steuerlich anzuwenden.
Die Entscheidung des BFH (Urteil vom 08.02.2024 – VI R 18/21)
Im aktuellen Fall wurde ein Fahrzeug einem GmbH-Geschäftsführer überlassen. Dieser legte dar, dass der Wagen nicht privat genutzt wurde – insbesondere, da er über ein eigenes Privatfahrzeug verfügte und der betriebliche Wagen außerhalb der Arbeitszeit nicht zur Verfügung stand.
Der BFH schloss sich dieser Argumentation an und stellte klar:
„Der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des betrieblichen Kfz ist erschüttert, wenn konkrete Umstände glaubhaft gegen eine solche Nutzung sprechen.“
Wichtig dabei: Das private Alternativfahrzeug muss vergleichbar in Wert, Komfort und Nutzungsmöglichkeit sein.
Ein betrieblich genutzter Porsche kann nicht mit Verweis auf einen privat gehaltenen VW Polo als „nicht privat genutzt“ deklariert werden. In solchen Konstellationen wäre der Gegenbeweis nicht überzeugend und der Anscheinsbeweis würde bestehen bleiben.
Diese Entscheidung ist richtungsweisend – sie öffnet den Weg für eine differenziertere Betrachtung und stärkt die Position von Steuerpflichtigen, die eine tatsächliche ausschließliche betriebliche Nutzung nachweisen können.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung bietet erhebliche Argumentationsspielräume – insbesondere für:
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GmbH-Geschäftsführer, die betriebliche Fahrzeuge nutzen,
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Einzelunternehmer und Freiberufler, die eine private Nutzung bestreiten,
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Steuerberater, die ihre Mandanten gegen pauschale Annahmen der Finanzverwaltung verteidigen wollen.
Empfehlungen der AHW
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Fahrtenbuch führen: Ein manipulationssicheres, zeitnah geführtes Fahrtenbuch ist nach wie vor der sicherste Weg.
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Dokumentation alternativer Nutzungskonzepte: Wenn z. B. ein separates Privatfahrzeug existiert oder der Firmenwagen nachts auf dem Betriebsgelände verbleibt, sollte dies nachvollziehbar dokumentiert werden.
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Betriebliche Nutzungskonzepte schriftlich fixieren: Klare vertragliche oder dienstliche Regelungen zur Nutzung (z. B. Nutzungsausschluss in der Freizeit) stärken die Verteidigungslinie im Prüfungsfall.
Fazit
Die Entscheidung des BFH setzt ein deutliches Signal gegen rein formelhafte Annahmen durch die Finanzverwaltung. Unternehmen und ihre steuerlichen Berater sollten diese Entwicklung nutzen – sowohl zur Risikominimierung als auch zur gestalterischen Optimierung.
Bei Fragen zur rechtssicheren Ausgestaltung von Kfz-Überlassungen oder zur Verteidigung gegen steuerliche Zuschätzungen unterstützt die AHW gerne mit fundierter rechtlicher und steuerlicher Expertise.